Die Einheit Johann Barowas wurde in einem Gewaltmarsch (1. u. 2. Mai) von Grevesmühlen aus an die Front geschickt. Sie sollte zur Abwehr der Roten Armee zwischen den Mecklenburger Seen eingesetzt werden.
Abends spät machten wir [aus Mestlin kommend ?] in einem Dorf in der Nähe von Parchim Quartier zum Übernachten. Wir waren todmüde und schliefen schnell ein. Nachts stieß einer mich robust an und sagte: „Sofort aufstehen und Sachen zusammenholen“. Meine Frage, wie spät es denn sei, wurde beantwortet: „Es ist zwar erst 4 Uhr aber höchste Zeit. Der Russe ist fast hier. Die meisten von uns sind schon weg, nun mach schon oder willst du warten bis der Russe hier ist". Wir hatten ja fast nichts, um uns den Russen entgegen zu stellen.
Unsere Posten hatten gehört, wie Panzerketten rasselten. Dann im nahen Dorf Gewehrfeuer, Panzerfäuste und Schreckensschreie. Einen richtigen Tumult konnte man in der ruhigen Nacht aus dem vielleicht einen km entfernten Dorf hören. Darum hatten die Posten die Einheit schnell geweckt und der überstürzte Abzug begann.
Mein Kollege und ich waren im Nu marschbereit und als wir auf die Straße kamen waren nur noch ein paar vereinzelte Kollegen in der Nähe. Wir legten eine ganze Zeit lang einen schnellen Marsch hin, bis wir dann mehr Kollegen unserer Einheit erreicht hatten. Es ging jetzt seit gestern Abend immer nach Westen.
Die Einheit von Barowa war in Auflösung begriffen und setzte sich vermutlich über Wessin in Richtung Crivitz ab. Es ist unwahrscheinlich, dass seine Einheit die Chaussee Parchim–Crivitz benutzte. Diese war für Wehrmachtseinheiten sehr gefährlich, weil sie in diesen Tagen häufig Tieffliegerangriffen ausgesetzt war. Zu dieser Zeit wurden auf der Chaussee von der SS KZ-Häftlinge in Richtung Westen getrieben (Todesmarsch). Diese wurden im Laufe des 3. Mai von der Roten Armee befreit. Die Flüchtlingstrecks werden zu diesem Zeitpunkt bereits überrannt worden sein. Am Morgen des 3. werden nur noch wenige Häftlings- oder Flüchtlingstrecks in Crivitz angekommen sein.
Es war der 3. Mai 1945 [, morgens]. Wir zogen durch ein Waldgebiet [Der Eichholz?]. Hinter uns hörte man immer wieder Panzerkanonen und das Blob der Panzerfäuste.
Kurz vor Crivitz kamen wir aus dem Wald heraus und erhielten Order, wir müssten alle an einer langen Reihe Bäume [Die Sieben Eichen?] vorbei gehen, die in einer Senke standen. Wir sahen von weitem, dass dort eine ganze Menge deutsche Soldaten, (es waren wohl alles Offiziere) am Strang aufgehangen waren. Man wollte uns wohl durch die nähere Konfrontation mit diesen Hingerichteten dazu bringen, gegen den Russen zu kämpfen.
Todesurteile wurden zur Abschreckung öffentlich vollstreckt. Häufig wurden Mannschaftsdienstgrade durch den Strang hingerichtet. Dass zudem auch Offiziere auf diese Weise getötet wurden, zeigt, wie sehr die Feldgerichtsbarkeit in Crivitz außer Kontrolle geraten war.
Aber es stellte sich immer wieder die Frage: „Womit“. Die fünf Schuss Munition für die norwegischen Karabiner, wo sonst keine Munition hinein passte, waren für den Kampf gegen die Russen, dessen Infanterie mit Maschinenpistolen ausgerüstet war, gar nichts. Bei den anderen Soldaten sah es auch nicht viel besser aus.
Die Truppenteile, die dem Russen noch Widerstand leisteten, um sein schnelles Vordringen abzubremsen, waren allerdings wesentlich besser ausgerüstet als wir.
Die Nationalsozialisten setzten die letzten „kampffähigen“ Kräfte ein, die im Volkssturm, in der Division „Schlageter“ (Reichsarbeitsdienst) oder in anderen zweifelhaften Einheiten unter dem Befehl „bewährter Kämpfer“ kämpften. Einzelne noch kampffähige Einheiten versuchten, den Vormarsch der sowjetischen Panzer mit Panzerfäusten zu verzögern, um nicht von ihnen überrollt zu werden.
Bei dem Personal an der Richtstätte muss sich wohl Widerstand gegen die allgemeine Besichtigung entwickelt haben, wo man doch auch nicht wusste, wie der zurückflutende Heerwurm auf diese makabere Arbeit reagierte. Wir waren auf der Rückzugsstraße stehen geblieben. Da kamen ein paar Leute von diesem Richtplatz zu uns und sagten, wir könnten weitergehen. Und das geschlagene Heer setzte sich wieder Richtung Westen in Bewegung.
In der Regel führte die Feldpolizei die Hinrichtungen selbst durch. Gelegentlich beauftragten sie aber auch andere damit, wobei sie sich auch des örtlichen „Personals“ bedienten.
Kurz darauf kamen wir in Crivitz auf einem großen Platz oder Freigelände [???] an. Hier stauten sich Tausende deutsche Soldaten. Es ging nicht mehr weiter. Als erstes sahen wir auf einem zur Schau gestellten Wagenrad, einen mit gespreizten Armen und Beinen an den Speichen angebundenen deutschen Soldaten, welcher ein Schild auf der Brust trug: „Ich habe meine Kameraden bestohlen“. Er lebte noch, aber wie lange jemand diese extreme Haltung erträgt, weiß ich nicht. Er war nämlich mit dem Kopf nach unten an dieses Rad gefesselt. Angesichts unserer Erfahrungen mit Kameradendiebstahl konnten wir diese Handlungsweise noch in etwa verstehen. Es durfte niemand die Stadt verlassen. Hinter uns hörten wir immer wieder die Panzerkanonen schießen und den dumpfen Knall von Panzerfäusten. Die Panzerfäuste waren noch das einzige Mittel um sich gegen die Panzer zu wehren. Rund 6 km hinter uns kam der Russe.
Hier in der Stadt tagte das Kriegsgericht. Durch die Truppen strichen mehrere Gruppen von Feldjägern (genannt Kettenhunde, mit Blechschild auf der Brust, das an Ketten hängt) und verhafteten Offiziere, die sie mit vor das Kriegsgericht holten. Dort wurden sie reihenweise wegen Feigheit vor dem Feind zum Tode durch den Strang verurteilt. Wie sollte man sich denn gegen die Russen verteidigen, wo es überall an Waffen und Munition fehlte.
Eine besondere Rolle bei diesen willkürlichen Tötungen spielten die Feldpolizei, die sich wie die Kriegsgerichtsbarkeit immer exzessiver gebärdete, Soldaten und Zivilisten ohne nähere Aufklärung der Umstände verhaftete, um sie bei geringsten Verdachtsmomenten den Standgerichten auszuliefern. Diese unterstanden entweder den Fronteinheiten oder dem Ersatzheer und damit Heinrich Himmler, dem Reichsführer SS. Im Februar 1945 war noch die Einrichtung von (Fliegenden oder Sonder-) Standgerichten bei allen größeren Truppenkontingenten oder in den Wehrkreisen befohlen worden, die die ihnen zugewiesenen Gebiete mit Justizterror überzogen. Dazu kamen Standgerichte des Justizministeriums, die wiederum häufig fanatisierte Funktionäre beauftragten, gewaltsam gegen kriegsmüde Zivilisten vorzugehen.
Dabei hatte der kommandierende General für alle entbehrbaren Truppen den Rückzug an die Elbe angeordnet. Es sollte nur hinhaltender Widerstand geleistet werden, damit die Flüchtlingstrecks und die Truppen sich nach Westen zurückziehen konnten.
Die Reste der Heeresgruppe Weichsel hatte den Befehl, sich hinter den Störkanal in Richtung Elbe zurückzuziehen. Gegen die Rote Armee sollte nur noch hinhaltend Widerstand geleistet werden.
Aber all dies interessierte das Kriegsgericht nicht. Die verurteilten Offiziere wurden auf einen langen Leiterwagen mit Pferdebespannung gebracht, wie sie bei der Heu- und Getreideernte gebraucht werden. Dort mussten sie sich auf die Pritsche setzen und sie wurden an die Außenstangen gefesselt, vorne auf dem Wagen saß ein großer dünner Fuhrmann. Er erklärte uns, bisher hatten die Offiziere die Soldaten immer an die Front und in den Tod getrieben, jetzt seien sie einmal selbst dran getrieben zu werden. Der Wagen fuhr die Verurteilten an die Richtstätte an der Baumreihe, wo wir vorhin vorbei gekommen waren. Das ganze sah aus wie die Fahrt der Verurteilten zum Scheiterhaufen im Hexenprozess, ein makaberes Bild. An der Richtstätte wurde der Wagen unter die Bäume gefahren an denen die Stricke schon befestigt waren. Dort wurden sie dann nacheinander zur Hinrichtung fertig gemacht, die Handfessel gelöst, die Schlinge um den Hals gelegt und der Wagen unter den Verurteilten weggefahren.
Wieso ließen die Offiziere auf dem Platz in Crivitz alles so über sich ergehen? Fühlte man sich immer noch so durch den Eid an den Führer gebunden. An den Führer der schon lange nicht mehr das getan hatte, was dem deutschen Volk zum Heile diente. Dabei hatte er doch auch geschworen, Unheil vom Deutschen Volk abzuwenden. Dabei ließ er das Heer immer noch weiter kämpfen und wollte sogar die Lebensgrundlagen des Volkes zerstören. Einem solchen System war man nicht mehr zur Treue verpflichtet.
Am 1. Mai wurde der Tod Hitlers, der am 30. April gestorben war, öffentlich bekannt gegeben. Dadurch erlosch die Verpflichtung der Soldaten gegenüber dem „Führer“, auf den sie vereidigt worden waren.
Doch gleich nach der Abfahrt des Wagens zur Richtstätte stürmten Offiziere das Kriegsgericht und erklärten dasselbe für abgesetzt. Als Reaktion darauf rottete sich SS zusammen, stürmte ebenfalls in den Gerichtssaal und setzte das Gericht wieder ein. Es traute sich niemand die Stadt Richtung Westen zu verlassen bis Leute aus unserer Einheit die rettende Idee hatten.
Bei uns zu Hause geht eine so genannte Springprozession nach Echternach in Luxemburg. Die Springprozession stammt noch aus dem Mittelalter und führt zur Abtei Echternach ans Grab des Heiligen Willibrord. Es gibt heute noch den typischen Tanzschritt auf dieser Prozession, drei Schritte vor, zwei Schritte zurück. Nach dem System dieses Tanzschrittes wollten wir uns in Bewegung setzen. [...] Es sollte nicht so aussehen, dass wir nach Westen in Bewegung wären. Die Zeit drängte, der Russe war nur noch eine Stunde Fußmarsch hinter uns.
So absurd es klingt, dadurch wurde ein militärischer Widerstand verhindert, und die Stadt konnte kampflos von der Roten Armee eingenommen werden.
Als unsere Einheit in Bewegung war, geriet die ganze Masse in Bewegung und jetzt ging es bald nur noch nach Westen. Von der Feldgendarmerie konnten wir schon nichts mehr sehen, wir schritten rüstig aus. Nach einer guten Stunde hatten wir ein größeres Waldgebiet durchquert und ich machte mit einigen Kameraden Rast. Wir beobachteten die vorbei ziehenden Soldaten und sahen Angehörige aller Waffengattungen der Wehrmacht mit und ohne Waffen, Gepflegte und solche die aus großen Strapazen kamen, abgekämpft und müde. Auf einmal lichteten die Mengen sich und es kamen nur noch einzelne Trupps.
Um 14:30 Uhr fuhren die ersten sowjetischen Panzer aus Richtung Brüel kommend sechsmal durch Crivitz und positionierten sich dann an der Parchimer Chaussee im Rabanweg gegenüber dem Haus von Fricks. Friedrich Lembke berichtete, dass deutsche Soldaten, die noch in der Stadt waren, in die Wälder flüchteten oder sich in den Häusern versteckten. Die Besetzung von Crivitz wurde erst am nächsten Tag fortgesetzt, sodass die Soldaten sich zu den US-Amerikanern absetzen konnten.
Als letzter kam ein Vormann des RAD mit einigen Leuten. Sie hatten 4 Panzerfäuste, einen Feldspaten und einen Gartenspaten bei sich. Der Vormann suchte mit uns das Gespräch, er suche Freiwillige, um eine Auffangstellung gegen die russischen Panzer einzurichten, sonst überrollten sie uns. Alle vier Kameraden erklärten sich bereit und so blieb ich auch bei ihnen. Der Vormann zeigte uns noch, wo wir am besten unsere Panzerdeckungslöcher graben sollten. Er zeigte auf das freie Feld neben der Straße und dann verschwand er mit seinen Leuten Richtung Westen.
Wir waren nun doch überrascht wie schnell er sich mit seinen Leuten nach Westen absetzte. Wir fünf sollten also hier den Russen zum Stehen bringen. Im Ganzen hatten wir also vier Panzerfäuste und fünf Karabiner mit je fünf Schuss Munition. Die Russen kamen immer mit einer ganzen Reihe Panzer wo auf jedem eine Anzahl Infanteristen saßen. Meine Kameraden wollten sich wirklich auf freiem Feld eingraben. Ich machte ihnen den Vorschlag auf der anderen Straßenseite hinter einer ansteigenden Böschung in Stellung zu gehen, da man dort auch eine bessere Fluchtmöglichkeit habe, wenn die aufsitzende, Infanterie uns angriff. Wir hätten nur die paar Panzerfäuste abschießen können und dann schnell das Weite suchen müssen. Doch nein, meine Kollegen wollten unbedingt auf freiem Feld die Deckungslöcher buddeln. Ich half dann auch bei dieser Arbeit und dabei musste ich feststellen, dass nicht nur unsere Eifel einen kargen Boden hat, denn hier kam man mit dem Spaten kaum 20 cm tief in den Boden.
Indessen näherten sich uns zwei Landser, gut ausgerüstet mit Maschinenpistolen und jeder Menge Magazinen mit je 30 Schuss Munition. Das wäre eine gute Aufstockung unserer Feuerkraft für den Infanteriekampf gewesen. Was wir denn hier machen wollten, fragten sie uns. Wir hätten den Auftrag hier eine Auffangstellung gegen die russischen Panzer einzurichten. „Wenn die Panzer drüben aus dem Wald kommen (cirka 300 m) dann halten die erst einmal an und suchen das Gelände mit dem Feldstecher ab. Die sehen euch ja sofort und holen euch mit den Panzerkanonen unter Feuer. Geht jetzt mit uns, sonst seid ihr in einer halben Stunde tot. Lasst die Panzerfäuste liegen, mit den paar Stück kann man sowieso nicht viel anfangen.“ Wir ließen die Panzerfäuste liegen und gingen mit den beiden Landsern nach Westen. Sie hatten sich vom Russen abgesetzt.
Resümee
In Crivitz und Umgebung waren um den 3. Mai mehrere zehntausend Wehrmachtsangehörige durch die Rote Armee zusammengedrängt worden. Letzte Gefechte fanden noch bei Parchim und Friedrichsmoor statt. Panzersoldaten sprengten ihre Sturmgeschütze in der Stadt. Flüchtlingstrecks verstopften die Straßen, und die SS trieb KZ-Häftlinge hindurch. Tiefflieger griffen die Trecks entlang der Parchimer Straße an. Die Situation in der Stadt war apokalyptisch.
Die Gedanken der Soldaten schwankten zwischen Opferbereitschaft für das Vaterland, militärischer Disziplin und dem Wunsch, nicht noch in den letzten Stunden des Krieges einen „Heldentod“ zu sterben. Dabei war ihnen bewusst, dass sie mit ihrer Bewaffnung keinerlei Gefecht mehr standhalten konnten. Ihre Einheiten waren zu regellosen Haufen zerfallen. Die Offiziere wollten und konnten ihre Soldaten nicht mehr zu kampffähigen militärischen Einheiten formen.
Buchstäblich in den letzten Stunden des Krieges wüteten in Crivitz noch die Standgerichte der deutschen Militärjustiz. Die angeordneten Hinrichtungen waren sinnlos – sie konnten keine Disziplin mehr herstellen. Sie waren nichts anderes als eine Machtdemonstration, um jeglichen Widerstand zu brechen. Herr Dr. Kalmbach hat mir in seiner Antwort auf meine Anfrage zum Bericht folgendes geschrieben:
Es hat vermutlich mehrere hundert Standgerichte gegeben. Diese gerierten sich derart maßlos, dass ihre ‚Urteile‘ regelrechte Gewaltorgien mit zahllosen Opfern hervorbrachten.
Wenn es sich um ‚Fliegende Standgerichte‘ handelte, waren sie zumeist in ‚Auffang-Stäben‘ eingegliedert, d.h. Einheiten mit Streifkommandos und/oder Feldpolizisten, die der Fahnenflucht Verdächtige aufgriffen und sie dann dem Standgericht (oder einem der Standgerichte) des jeweiligen Auffang-Stabes zuführten. Solche ‚Gerichte‘ bestanden aus drei Richtern, von denen einer entweder ein Kriegsrichter (Volljurist) oder ein Offizier ab Rang eines Hauptmannes war. Regelmäßig waren die Beisitzer ebenfalls Offiziere. Ein Ankläger musste nicht (mehr) zwingend anwesend sein; das Gericht konnte auch selbst die Anklage formulieren. Diese Justiz-Morde wurden durch Vorgaben der ‚Kriegsstraf-Verfahrensordnung‘ flankiert und durch interne Befehle vorangetrieben.
‚Prozesse‘ wurden dort geführt, wo es den Tätern zweckmäßig erschien, beispielsweise Gasthäuser oder Bunker, aber auch unter freiem Himmel. Es ging um Abschreckung und Rache, deswegen wurden die Verurteilten häufig in der Öffentlichkeit getötet.
Das Kriegsende erlebte in Crivitz jeder anders – jeder hatte sein eigenes Schicksal. Der 19-jährige KZ-Häftling Alexander Fried wog, als er am 3. Mai 1945 auf dem Marktplatz von Crivitz befreit wurde, nur noch 25 Kilogramm. Für die sowjetischen Kriegsgefangenen aus den Baracken an der Parchimer Chaussee bedeutete das Kriegsende die Befreiung aus der Gefangenschaft – und zugleich den Beginn eines Martyriums in den Lagern des KGB. Für die polnischen Zwangsarbeiter war es der Anfang der Rückkehr in die Heimat, für die SA- und NSDAP-Größen der Stadt, einschließlich Bürgermeister Hahn, eine moralische und physische Niederlage. Für Lehrer Schröder aus Zapel endete die Drangsalierung durch die NS-Bürokratie, für den Maler Klüssendorf die innere Emigration. Für den Fuhrunternehmer und Kommunisten Oswald begann eine neue Zeit – und für die meisten Frauen der Stadt Tage voller Gewalt und Missbrauch.
Auch Johann Barowa erlebte das Kriegsende in Crivitz. Seine Erlebnisse sind Teil der Stadtgeschichte.
Zur Geschichte von Crivitz gehört auch, dass sich buchstäblich im letzten Moment mutige Wehrmachtsangehörige entschlossen, das Morden der Nazi-Justiz zu beenden und sich kampflos aus der Stadt zurückzuziehen. Zum Glück für Crivitz gab es auch mutige Frauen und Männer, die sich entschieden, die Panzersperre in der Parchimer Straße zu räumen und weiße Tücher in die Fenster zu hängen, um die Stadt kampflos an die Rote Armee zu übergeben.
Literatur
Crivitz (Hrsg.): Chronik der Stadt Crivitz, Druckerei A.C. Froh, 2000, S. 202-214 u. S. 367-375.
Eikemeier, Fritz: Aus dem Tagebuch von Fritz Eikemeier. In: Kurt Redmer (Hrsg.), Zum Geschehen bei und in Schwerin 1941 und 1946, Plawe Verlagsgesellschaft KG, 2005, S. 73–77.
Kalmbach, Peter Lutz: Fliegende Standgerichte. Entstehung und Wirkung eines Instruments der nationalsozialistischen Militärjustiz. In: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Jg. 96, Heft 2 (2021), S. 211–240.
Schultz-Naumann, Joachim: Mecklenburg 1945, München: Universitas, 1990.
Stüdemann, Kurt/Kulturkreis Mecklenburg e.V.: Militärische Ereignisse, in: Parchimer Heimathefte, Bd. 19 (1994), S. 33-54.
Wulf-Nixdorf, Marion: All seine Freunde wurden in Treblinka ermordet. In: Kurt Redmer (Hrsg.), Die letzten und die ersten Tage. Dokumentation über Geschehnisse in Mecklenburg im Zweiten Weltkrieg und danach, EDITION digital, 2015, S. 92.
Zimmermann, John: Die Niederlage der 3. Panzerarmee in Vorpommern. In: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 10/1, München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag, 2008, S. 649 ff.