
Texte und Bildauswahl: Eileen Fluhr, Fabian Jentsch, Moritz Kühnlein, Valentina Wergow, Anna Schmeichel. Fachliche Betreuung: Lars Röding, Dr. Florian Ostrop
Fritz Heinrich Benno Wolter, geboren am 27. Januar 1904 in Schwerin, wohnte sein Leben lang in Schwerin in der Schliemannstraße 9a (ehemals Palaisstraße) – lange Zeit zusammen mit seinen Eltern Friedrich Wolter (geb. am 05. Januar 1872, gest. am 6. Februar 1959 im Alter von 87 Jahren) und Alma Wolter (geb. am 10. Dezember1870, gest. am 25. Januar 1948 im Alter von 77 Jahren).
Dieses Haus wurde im Jahr 1861 durch seinen Großvater Heinrich Wolter (gest. 14. Mai 1908), der als Damenschneider in Schwerin tätig war, für 3.925 Taler Kurant gekauft. Auf dem Haus, das 1856 erbaut wurde, lag eine Hypothek von 3.500 Talern Kurant, die Heinrich Wolter nun übernahm. Die zusätzlichen 425 Taler Kurant übergab Heinrich Wolter in bar dem Vorbesitzer Herrn Jäger. Friedrich Wolter hatte zudem zwei Brüder namens Carl Wolter und Ludwig Wolter. Fritz Wolter hatte auch eine Tante namens Anna Peters, sowie einen angeheirateten Onkel namens Benno Peters. Die Tochter der beiden, Emma Peters, war Fritz‘ Cousine. Darüber hinaus hatte Fritz Wolter eine Großmutter, namens Therese Wolter, die im Jahr 1919 starb. Im Jahr 1927 beantragte Friedrich Wolter für sich selbst eine fremde Vormundschaft, die schließlich ein gewisser Gustav Hinz übernahm. Was diesen Vorgang so unnatürlich macht, ist die Tatsache, dass sich zu damaligen Zeiten normalerweise die Kinder um die Eltern kümmerten. In seinen Berufsjahren ging Fritz Wolter ebenso wie sein Vater der Malertätigkeit nach und schloss darin sogar den Meister ab. Verheiratet war Fritz Wolter nie. Im Jahr 1969 überschrieb er seinen Hausanteil in der Schliemannstraße dem Staat (DDR), eventuell aufgrund von Schwierigkeiten mit der Bauunterhaltung.

Anklage und Verurteilung
Fritz Wolter befand sich seit dem 12. Juli 1938 in Untersuchungshaft, ohne bis dahin rechtskräftig verurteilt worden zu sein. Die Anklage gegen ihn stützte sich auf mehrere voneinander unabhängige Fälle, in denen ihm über einen längeren Zeitraum hinweg sexuelle Handlungen mit anderen Männern vorgeworfen wurden. Diese galten nach damaligem Strafrecht (§ 175 StGB) als „widernatürliche Unzucht“ und wurden deswegen strafrechtlich verfolgt.
Ein zentraler Bestandteil des Verfahrens war die Beziehung zwischen Fritz Wolter und Hugo Dewald, einem Mann, den er auf einem Jahrmarkt in Schwerin kennengelernt hatte. Zwischen beiden Männern kam es zwischen 1923 bis 1938 wiederholt zu sexuellen Kontakten. Die über mehrere Jahre bestehenden Treffen fanden in unregelmäßigen Abständen statt und umfassten unter anderem gegenseitige Onanie, Schenkelverkehr und Mundverkehr.
Neben Hugo Dewald wurden zwei weitere Männer im Verfahren genannt. Einer davon war Karl Vick, den Fritz Wolter bereits seit seiner Kindheit kannte. Auch hier berichten die Ermittlungsunterlagen von einer Serie einvernehmlicher sexueller Handlungen (gegenseitige Onanie), die ab einem zufälligen Wiedersehen auf einem Markt bis 1938 stattgefunden haben sollen.
Eine dritte Person, Wilhelm Rehmann, wird im Zusammenhang mit einzelnen sexuellen Begegnungen zwischen 1932 und 1936 erwähnt. Laut den Prozessakten kam es dabei unter anderem im Schweriner Marstallgarten und am sogenannten Alten Garten, zu gegenseitiger Onanie. Fritz Wolters‘ eigene Angaben dazu blieben vage, er erinnerte sich lediglich an zwei Treffen.
Er wurde schließlich im Januar 1939 wegen Verstoßes gegen § 175 in drei Fällen verurteilt. Das Gericht verhängte eine Gefängnisstrafe von insgesamt zwei Jahren, wobei die Untersuchungshaft vor der Verurteilung mitgerechnet wurde. Den Freiheitsentzug verbrachte Fritz Wolter allerdings nicht im Gefängnis. Er wurde in das Straflager V Neusustrum im Emsland verlegt, wo er weitaus härteren Haftbedingungen ausgesetzt war. Von dort durfte er am 9. Juli 1940 zurück in sein Haus in der Palaisstraße.
Ein Tod, der Rätsel aufgibt
Fritz Wolter verstarb am 11. September 1973 um 0:45 Uhr in Rostock durch eine foudroyante Lungenthrombembolie bei blander Oberschenkelvenenthrombose. Diese stand zeitlich sehr nah zu einem Fenstersturz aus suizidalen Absichten, bei dem Fritz Wolter zwar nicht direkt starb, weshalb offiziell aber eine nicht-natürliche Todesursache angegeben wurde. Zusätzlich verletzte er sich bei dem Sturz mutmaßlich an seinen Fingern und Fingernägeln. Darüber hinaus wurde bei ihm eine Fettembolie diagnostiziert, die als Differenzialdiagnose eine nicht-natürliche Todesursache wahrscheinlicher macht als eine natürliche Todesursache. Dazu muss erwähnt werden, dass der Fenstersturz, sowie auch die Fettembolie nicht zu 100% bestätigt werden können, da die leichenschauende Person etwas ungenau beim Niederschreiben der Klassifizierungen war.
Was Fritz Wolter an seinem Todesort Rostock wollte, ist nicht ganz klar: die einzige auffindbare Verbindung in die Stadt ist die zu seiner Cousine Emma Ahlers geb. Peters, Tochter von Benno Peters und Anna Peters geb. Wolter. Diese wohnte in Rostock, vielleicht stattete er ihr kurz vor seinem Tod einen Besuch ab, man kann jedoch nur spekulieren. Vielleicht war er auch in einer Szene für Schwule unterwegs, hatte einen Freund besucht oder einen Liebhaber? Die Frage, was der Grund dafür war, seinen Suizidversuch ausgerechnet in Rostock zu vollziehen, ob es überhaupt einen Grund gab oder der Suizidversuch eine spontane Entscheidung Wolters war, bleibt offen.